Jenseits der Debatte
In der Geschichte der Menschheit wurde wahrscheinlich noch nie so intensiv über eine Heizungstechnologie diskutiert wie jetzt über die Wärmepumpe. Besonders in Deutschland hat die Debatte ein enormes Ausmaß angenommen. In einer Reihe von anderen Ländern sieht es nicht viel anders aus. Die Diskussion hat längst den technischen Kontext verlassen und wurde stark polarisiert und politisiert. Warum eigentlich?
Die Wärmepumpe an sich ist doch eine neutrale Technologie, die unsere Häuser warm (und kalt) machen kann. Zugegeben, sie kann auch das, worüber man selten diskutiert: die Trocknung unserer Wäsche effizienter machen1, Elektroautos weiterfahren lassen2, Industrieprozesse effizienter und kostengünstiger gestalten3, oder ganze Stadtteile mit Wärme beliefern4. Die Liste ist nicht vollständig.
Die Wärmepumpe erledigt ihre Dienste in den meisten Fällen mithilfe von Elektrizität. Und damit sind wir gleich an dem Punkt angekommen, warum so viel über die Wärmepumpe gesprochen wird. Sie verkörpert eine von zwei Visionen, wie der notwendige Umbau des Energiesystems, „die Energiewende“ (und damit auch die Wärmewende), aussehen kann.
Warum ist die Energiewende notwendig?
Die heutige Energieversorgung basiert mehrheitlich auf fossilen Energieträgern. Das muss sich aus mindestens drei wichtigsten Gründen ändern. Langfristig ist das Wichtigste die Reduktion der CO2-Emissionen und damit die Begrenzung der globalen Temperatursteigerung5. Die Evidenz für diese Zusammenhänge ist wissenschaftlich unumstritten678. Genauso wie die Auswirkungen, die uns erwarten, wenn wir bereits kurzfristig nichts dagegen unternehmen91011. Wer jetzt noch etwas anderes behauptet, tut dies aus bewusstem Unwissen oder Kalkül.
Der zweite Grund ist die Ökonomie. Abgesehen von den ökologischen Auswirkungen, ist die Nutzung der erneuerbaren Energiequellen einfach günstiger121314. Zudem ist die Stabilität der Preise der fossilen Energieträger unsicher15. Politische Entscheidungen, Naturkatastrophen oder mutwilliges Handeln kann die Preise in kurzer Zeit sowohl lokal als auch global gravierend verändern lassen. Ein schmerzhaftes Beispiel dafür waren die Preisveränderungen in dem ersten Jahr des Krieges in der Ukraine16.
Der dritte Grund ist die geopolitische Abhängigkeit und damit verbundene Risiken. Abhängigkeit von bestimmten Lieferanten, unsichere Lieferketten, Energiesicherheit und Kapitalabfluss sind nur wenige Beispiele, die damit verbunden sind.
Welche Technologien bringen die Energiewende voran?
Verkürzt dargestellt, gibt es zwei Wege, um die Energiewende zu schaffen: „Der Weg der Elektronen“ und die damit verbundene Elektrifizierung des Energiesystems, und „der Weg der Moleküle“, oder „Power-to-X“, die verstärkte Nutzung der synthetischen Energieträger bezeichnet. Beide Wege haben ihre Daseinsberechtigung, Vorteile und Nachteile. Leider werden sie oft als Alternativen bezeichnet, statt die Ansätze für bestimmte Bereiche jeweils einzeln zu betrachten und zu bewerten.
Im Wärmesektor scheint die bessere Lösung und damit die Entscheidung offensichtlich zu sein. Bei dem Weg der Elektronen werden die fossilen Heizsysteme in Gebäuden durch Wärmepumpen ersetzt. Der Weg der synthetischen Energieträger sieht für die Bereitstellung der Wärme die Verbrennung von Wasserstoff vor. Das verführerische Versprechen dabei: Wir müssen uns jetzt nicht anstrengen, und in der Zukunft wird die Dekarbonisierung quasi von allein stattfinden, indem wir statt fossilem Gas „einfach“ grünen Wasserstoff verbrennen. Dass es jedoch nicht „einfach“ und vor allem nicht günstig geht, beschreiben zahlreiche Studien. Der bekannte Oxford-Forscher Professor Jan Rosenow hat 54 unabhängige Studien zusammengefasst17. Das Ergebnis könnte nicht klarer sein: Keine der Studien identifiziert das Heizen mit Wasserstoff als die bevorzugte Lösung, weil diese sowohl weniger effizient als auch teurer wie die Wärmepumpe ist. Die neuste Studie der Fraunhofer Institute IEG und ISI18 sieht erneut keine Chance für Wasserstoff beim Heizen.
Die Debatte
Jenseits aller Mythen über angebliche technische Mängel ist die Wärmepumpendebatte eine politische Auseinandersetzung. Es geht eigentlich nicht um die Technologie an sich, sondern um eine politische Vision der Energiewende. Sie ist, zugespitzt, der Versuch, die Weiternutzung fossiler Energieträger ungeachtet ihrer Konsequenzen zu ermöglichen.
Wir sollten die Wärmepumpen nicht deswegen nutzen, weil einige Politiker deren Nutzung forcieren oder andere sie als „grüne Spinnerei“ bezeichnen. Wir sollten die Technologie nutzen, weil sie die beste, schnellste und günstigste Lösung für die erfolgreiche Energiewende ist. Zweifelsohne gibt es auch bei dieser Lösung Herausforderungen, jedoch sind die Alternativen einfach nicht besser.
Die Serie
Mit diesem Beitrag startet unsere 18-teilige Serie „Wärmepumpen: Deine brennenden Fragen jetzt beantwortet“ – ein Fakten-Check, der gängige Argumente aus der Debatte sachlich bewertet.
Gestützt auf die Expertise aus mehr als 20 Jahren Wärmepumpenerfahrung, ist es unser Ziel, Spekulationen durch Fakten zu ersetzen.
Wir übersetzen komplexe Forschung in klare Antworten zu allen Themen – von Bestandsgebäuden bis zur KI-Integration. Dies schafft eine solide, unabhängige Grundlage, um die Entscheidungssicherheit der Endnutzer zu gewährleisten und die Wärmewende aktiv voranzutreiben.
Nächste Woche stellen wir die wichtigsten Erkenntnisse aus den Wärmepumpen-Felduntersuchungen vor der letzten 20 Jahr vor. Die nächsten Folgen sind jeweils dienstags zu erwarten.
Als Autor bedanke ich mich für die finanzielle Unterstützung der Serie und damit auch der Heat Pumps Watch Initiative bei der Stiftung Klimaneutralität.
18-TEILIGE SERIE
WÄRMEPUMPEN: DEINE FRAGEN JETZT BEANTWORTET
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- wissenschaft.de (2019): Wärmepumpentrockner – Energieeffizienz und Einsparpotenzial. [online] Verfügbar unter: https://www.wissenschaft.de/technik-digitales/waermepumpentrockner-energieeffizienz-und-einsparpotenzial/ ↩︎
- the windscreen (2025): Elektroauto & Wärmepumpe: Reichweitenoptimierung für E-Mobilität. [online] Verfügbar unter: https://thewindscreen.com/markt/elektroauto-waermepumpe-reichweitenoptimierung-fuer-e-mobilitaet/ ↩︎
- Arpagaus, Cordin (2019): Hochtemperatur-Wärmepumpen. Marktübersicht, Stand der Technik und
Anwendungspotenziale. VDE Verlag, Berlin. ISBN 978-3-8007-4550-0. ↩︎ - Projektträges Jülich (2024): Reallabor der Energiewende GWP Großwärmepumpen in deutschen Fernwärmenetzen [online] Verfügbar unter: https://www.energieforschung.de/projekt/neu-grosswaermepumpen-in-deutschen-fernwaermenetzen/ ↩︎
- IPCC, 2023: Sections. In: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, pp. 35-115, doi: 10.59327/IPCC/AR6-9789291691647 ↩︎
- J. Jouzel et al. Orbital and Millennial Antarctic Climate Variability over the Past 800,000 Years. Science 317,793796(2007). DOI:10.1126/science.1141038 // Morice, C. P., Kennedy, J. J., Rayner, N. A., Winn, J. P., Hogan, E., Killick, R. E., et al. (2021). An updated assessment of near-surface temperature change from 1850: the HadCRUT5 data set. Journal of Geophysical Research: Atmospheres, 126, e2019JD032361. https://doi.org/10.1029/2019JD032361 ↩︎
- Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (2024): Wo stehen wir beim CO₂-Budget? Eine Aktualisierung. Kurzpapier. [online] Berlin. Verfügbar unter:
https://www.umweltrat.de/SharedDocs/Downloads/DE/04_Stellungnahmen/2020_2024/2024_03_CO2_Budget.pdf ↩︎ - Urban, M. C. (2024): ‚Climate change extinctions‘, Science, 386 (6727), S. eadp4461. DOI: 10.1126/science.adp4461. ↩︎
- Patrick Jürgens, Markus Kaiser, Charlotte Senkpiel, Connor Thelen, Christoph Kost & Hans-Martin Henning (05 Jun 2025): Closing the ambition gap: Germany’s energy transition in line with a 1.5°C carbon budget, Climate Policy, DOI: 10.1080/14693062.2025.2506610 ↩︎
- Armstrong McKay, D. I. et al. (2022): ‚Exceeding 1.5°C global warming could trigger multiple climate tipping points‘, Science, 377 (6611), S. eabn7950. DOI: 10.1126/science.abn7950. ↩︎
- Katherine Richardson et al., Earth beyond six of nine planetary boundaries. Science Advances. 9, eadh2458 (2023).
DOI:10.1126/sciadv.adh2458 ↩︎ - Pietzcker, R. et al. (2025): Die Energiewende kosteneffizient gestalten: Szenarien zur Klimaneutralität 2045. Kopernikus-Projekt Ariadne Report, Potsdam. DOI: 10.48485/pik.2025.003. [online] Verfügbar unter: https://ariadneprojekt.de/media/2025/03/Ariadne-Report_Szenarien2025_Maerz2025_lowres.pdf ↩︎
- Luderer, Gunnar, et al. „Impact of declining renewable energy costs on electrification in low-emission scenarios.“ Nature Energy 7.1 (2022): 32-42. ↩︎
- Osman, Ahmed I., et al. „Cost, environmental impact, and resilience of renewable energy under a changing climate: a review.“ Environmental chemistry letters 21.2 (2023): 741-764. ↩︎
- BloombergNEF. (2025, 15. April). New Energy Outlook 2025. https://about.bnef.com/insights/clean-energy/new-energy-outlook/ ↩︎
- ZEIT ONLINE (2025): Energiemonitor. [online] Hamburg. Verfügbar unter:
https://www.zeit.de/wirtschaft/energiemonitor-strompreis-gaspreis-erneuerbare-energien-ausbau ↩︎ - Rosenow, Jan, “A meta-review of 54 studies on hydrogen heating”, Cell Reports Sustainability, Volume 1, Issue 1, 100010 ↩︎
- Fraunhofer IEG und ISI (2025): Heizen mit Wasserstoff – Aufwand und Kosten für Haushalte anhand aktueller Daten und Prognosen. Im Auftrag von Greenpeace e.V. und Gaswende. Verfügbar unter:
https://www.greenpeace.de/publikationen/251014_Studie_Heizen_mit_Wasserstoff_20251013.pdf ↩︎